Eine nicht nach der aktuellen Gesetzgebung gedämmte Fassade eines Gründerzeithauses hat einen theoretisch besseren U-Wert als eine Fassade eines ungedämmten Gründerzeithauses. Auch wenn beide Gebäude praktisch den gleichen Wärmebedarf haben, weist der Energiepass unterschiedliche Größen auf. Zahlreiche Untersuchungen haben gezeigt, siehe den Artikel Dämmung unteren Abschnitt, dass der theoretische nicht mit dem berechneten Verbrauchswert übereinstimmt. Bevorzugt werden natürlich die Wohnungen mit ausgewiesenem geringeren Energieverbrauchkennwert gemietet. Dies wirkt sich natürlich auf die Miethöhe und dem Verkehrswert aus.
In der letzen Vergangenheit zeichnet sich eine Energiepreisentwicklung ab, die sowohl den Eigentümer aber auch den Mieter zum Energiesparen veranlassen. Dies wird nicht vor allem von der Preisentwicklung der Energierohstoffe bestimmt, sondern vielmehr von den Steuern und Abgaben. So wuchsen zum Beispiel diese auf Strom seit 1998 auf fast das 6-fache auf 13,4 Milliarden € im Jahr 2007, davon 6,5 Milliarden € staatliche Steuern und 4 Milliarden € zur staatlich vorgeschriebenen Förderung des Ökostroms. Den bezahlen die Verbraucher direkt über den Strompreis. Damit ist die Vergütung des Ökostromes sei fast 3x so hoch wie der durchschnittliche aktuelle Großhandelspreis für Strom. 2007 entfielen 40 % der Stromrechnung eines durchschnittlichen Haushaltes auf Steuern und Abgaben. [3]
Die Stromerzeugung aus deutscher Steinkohle kostet "...insgesamt 6,18 Ct/kWh bei bedarfsgerechter Verfügbarkeit. Windenergie kostet aber 9 Ct/kWh, Sonnenenergie über 50 Ct/kWh bei nur witterungsabhängiger Verfügbarkeit zwischen 800 und 2000 Stunden pro Jahr." [4]
Neben der immer größeren finanziellen Belastung der Bürger wird die durch die Politik und Medien angekurbelte Diskussion der notwendigen Kohlendioxid-Reduzierung, des baldigen Endes der Verfügbarkeit von Rohstoffen und eine vom Menschen gemachte Klimaerwärmung zur erforderlichen Energieeinsparung herangezogen (siehe hier Beitrag Wetter). Dies ermöglicht die Vereinfachung der Umsetzung gesetzlicher Mittel, mit den auf die Gebäudeeigentümer Druck ausgeübt wird. Dies erfolgt mithilfe der Energieeinsparverordnung (EnEV) und der Pflicht des Energieausweises.1)
"In Deutschland werden 35% des Energieverbrauchs für die Beheizung von Wohn- und Nichtwohngebäuden und für die Warmwasserbereitung eingesetzt. Von den rd: 39 Mio. Wohnungen wurden 75 % vor 1979 und damit vor Inkrafttreten der ersten Energiesparvorschrift - der 1. Wärmeschutzverordnung - errichtet. In diesem Bestand liegen große CO2-Einsparreserven. Am Wohnungsbestand stellen die privaten Einzeleigentümer mit 29 Mio. Wohnungen den größten Anteil, davon wiederum die Selbstnutzer mit 15 Mio. Wohnungen mehr als die Hälfte." [1] Betrachtet man dies unter dem Gesichtspunkt der gesetzlichen Pflicht eines Energieausweises, so wird deutlich, dass über Nacht auf der Grundlage einer theoretischen Berechnung der überwiegende Immobilienbestand in Deutschland wertlos geworden ist.
"Nach dem Willen der Bundesregierung sind Energiepässe"... verbindlich ab ..."2008 vorgeschrieben... Die Schlacht der Lobbyisten scheint jetzt geschlagen, jeder Eigentümer muss einen solchen Pass für seine Immobilie anfertigen lassen - wenn er das Haus oder eine Wohnung vermieten oder verkaufen will. 'Maklerangebote ohne Energiepass sind zukünftig weniger wert', urteilt Dietmar Franz, Geschäftsführer von der DB-Immobilien."[8]
Der Marktpreis wird auf der Grundlage von Angebot und Nachfrage bestimmt. Der Staat greift massiv in diesen Markt ein. Es lassen sich danach nur Immobilien mit einem theoretisch günstigen Wärmeenergieverbrauch verkaufen beziehungsweise wirtschaftlich verwerten. Sind diese theoretischen Werte ungünstig, so hat die Immobilie einen Wertverlust, der analog wie ein Reparaturrückstau zu werten ist. Die Kosten einer energetischen Gebäudesanierung belaufen sich auf 200 € pro m3 (Wärmedämmung, Luftdichtung und Ventilation, mit oder ohne Wärmerückgewinnung, jedoch ohne Fensterersatz) [2]
Damit ergibt sich für ein Häuschen von 130 m2 Wohnfläche
200 € /m3 x 130 m2 x 2,6 m = 67.600 €
Anmerkung: Diese Kosten halte ich zurzeit etwas hoch gegriffen, da man im Moment noch mit einer Wärmedämmung auf der Außenfassade und der Dämmung zum Dachboden bzw. des Daches auskommt. Aber andererseits ist der Kostenansatz viel zu niedrig, wenn man eine langfristige Maßnahme plant und nicht zum Straftäter werden möchte, was man zwangsläufig wird, wenn die Vorhaben der weiteren Verschärfung der EnEV der Bundesregierung realisiert werden.
"... entspricht der energetische Standard von Gebäuden, der in der - Energieeinsparverordnung (EnEV) vorgeschrieben ist, nicht mehr dem Stand der Technik. Ziel ist es, die -energetischen Anforderungen an Gebäude in Stufen dem Stand der Technik und der Energiepreisentwicklung anzupassen. Ab dem Jahr 2020 soll die Wärmeversorgung von Neubauten möglichst weitgehend unabhängig von fossilen Energieträgern sein. Deshalb sollen die Anforderungen einer EnEV-Novelle in 2008/2009 um durchschnittlich 30 Prozent verschärft werden, bis 2012 nochmals um dieselbe Größenordnung.
Offensichtlich ist es auch bis zur Regierung vorgedrungen, dass die konsequente Umsetzung der EnEV zu wünschen übrig lässt. Denn als weitere Maßnahmen sind aufgeführt:
Stärkung des Vollzugs durch Intensivierung privater Nachweispflichten (zum Beispiel Fachunternehmerbescheinigungen). Die Einführung einheitlicher Bußgeldvorschriften für Neu- und -Altbauanforderungen wird angestrebt..."[6]
Bei der Bewertung (2007) einer gebrauchten Immobilie erfolgt nun so ein Abzug vom
Gebäudenormherstellungswert
- Reparaturrückstau (Abschlag wegen Bauschaden)
- Abschlag wegen Alterswertminderung
- Abschlag Kosten einer energetischen Gebäudesanierung
= Gebäudesachwert
Beispiel vereinfachtes Sachwertverfahren Einfamilienhaus Umbauterraum 550 m3, Wohnfläche 130 m2 Raummeterpreis 250 €/m3 , Grundstück 500 m2 mit Bodenrichtwert 150 €/m2
Bodenwert 500 m2 x 150 €/m2 | 75.000 € | |
Gebäudeherstellung 550 m3 x 250 €/m3 | 137.500 € | |
Alterswertminderung 20 v.H. | - 27.500 € | |
Gebäudesachwert | = 110.000 € | |
Wert der Außenanlage | + 5.000 € | |
Sachwert der baulichen Anlage | 115.000 € | 115.000 € |
Grundstückssachwert | 190.000 € | |
Marktanpassungsabschlag 10 v.H. vom Grundstückssachwert | - 19.000 € | |
Verkehrswert des Grundstücks | 171.000 € |
Der Verkehrswert verringert sich durch die fehlende energetische Gebäudesanierung ab 1. Juli 2008 für die Gebäude die bis 31.12.1965 und ab 1. Januar 2009 für alle die danach errichteten Gebäude.
Bodenwert 500 m2 x 150 €/m2 | 75.000 € | |
Gebäudeherstellung 550 m3 x 250 €/m3 | 137.500 € | |
Alterswertminderung 20 v.H. | - 27.500 € | |
Abzug wegen fehlender energetischer Gebäudesanierung* | - 25.000 € | |
Gebäudesachwert | = 85.000 € | |
Wert der Außenanlage | + 5.000 € | |
Sachwert der baulichen Anlage | 90.000 € | 90.000 € |
Grundstückssachwert | 165.000 € | |
Marktanpassungsabschlag 10 v.H. vom Grundstückssachwert | - 16.500 € | |
Verkehrswert des Grundstücks | 148.000 € |
* Kosten sind geschätzt und sind abhängig von den gebäudespezifischen Eigenschaften. Beinhaltet Erneuerung/Sanierung bestehender Heizanlage und Dämmmaßnahmen.
Wurden zum Beispiel ältere Mehrfamilienhäuser saniert und kommt nach der theoretischen Berechnung ein hoher Energieverbrauch heraus, so sinkt die Vermietbarkeit und die Investitionskosten werden nicht mehr getragen. Klever waren die Hauseigentümer, die nichts gemacht haben. Die haben notfalls nur die Kosten für den Abbruch ihrer älteren Häuser zu tragen.
"In Deutschland existieren - außer 3 Grundmessungen - keine wissenschaftlichen, experimentellen Untersuchungen über die Energieeffizienz unterschiedlicher Wandkonstruktionen! Der Wärmeschutz wird in Deutschland im Wesentlichen durch die U-Wert-Theorie bestimmt.
Die U-Wert-Theorie konnte bis heute allgemein und im Vergleich wissenschaftlich nicht bestätigt werden." [2] Auf diese Theorie beruht die Energieeinsparverordnung und die Absicht Energie einzusparen.
Bereits in Test Nr. 3 der Zeitschrift "Stiftung Warentest" vom März 1987 ist ersichtlich, dass bei Dämmkosten von DM 47.00/m3 Gebäude, mit einer Energieeinsparung von nur 1 Liter Heizöl pro m3 Gebäude und Jahr, die statische Amortisation 34,7 Jahre beträgt. Die Amortisation ist deshalb nicht möglich, weil die Haltbarkeit der Außendämmung kaum 30 Jahre erreicht.
"Das zur Beurteilung des Wärmeschutzes von Gebäuden einschließlich der Berechnungen zu den Bedarfswerten an Heiz-, End- und Primärenergie gemäß Verordnung heranzuziehende Normenwerk stellt sich bei genauerer Betrachtung als in der Fachwelt sehr umstritten dar. Zahlreiche Fachleute stellen das Rechenwerk nach DIN 4108, respektive EN 832, DIN 4701 u. a., infrage." [5]
Im nachfolgenden Abschnitt werden die rechnerischen U-Werte und Ueffektiv-Werte bei einem Gründerzeithaus dargestellt. Diese Werte entsprechen mit geringen Abweichungen den Mindestdicken belasteter Außenwände aus Mauerwerk Berlin 1891/1913, Wien 1920, Frankfurt 1931 und Sachsen 1932. Für diese Betrachtung wird ein Baustoff Ziegel(1800), Putzstärke außen 2,0 cm und innen 1,5 cm ausgewählt. Für Ziegel und Putz λ = 0,81 W/mK, für Fassadendämmung1 = 6 cm Dämmung und Fassadendämmung2 = 16 cm Dämmung mit λ = 0,04 W/mK
Berechnung nach dem Online-Tool "Berechnung Wärmeverbrauch bei einer Hauswand"
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Dieser theoretische Vergleich der Transmissionswärmeverluste zeigt, dass bis zur II. Etage durch eine zusätzliche Dämmung (6 cm) keine energetische Verbesserung erzielt wird. In der III. und IV. Etage ist der Gewinn minimal. (Bei der Betrachtung wurde der große Fensterflächenanteil vernachlässigt.)
In der nachfolgenden Tabelle 1 werden ausgewählte Mindestdicken belasteter Außenwände aufgeführt. In dieser kleinen Übersicht wird auch deutlich, dass noch im 19. Jahrhundert stärkere Wandquerschnitte erstellt worden und Mitte des 20. Jahrhunderts die Querschnitte schmaler ausfielen. Die Änderung und Vereinheitlichung der verwendeten Ziegelformate spielt hier eher weniger eine Rolle. Es dürften hier wirtschaftliche Überlegungen zur Baukosteneinsparung gewesen sein. Heute sind die massiven Wände noch schlanker. In den unteren zwei Spalten wird die Verschlechterung des theoretischen U-Wertes gegenübergestellt. Mit den schlankeren Wänden vergrößert sich zwangsläufig auch der U-Wert. Die Berechnung erfolgt mit 2 cm Außenputz, Mauerstärke und 1,5 cm Innenputz. Vereinfacht werden für die Ziegelsteine (1800) und den Kalk/Kalkputz ein λ-Wert von 0,81 W/mK verwendet.
Tabelle 1: Auswahl Mindestdicken belasteter Außenwände aus Ziegelmauerwerk, Angaben [in mm] und der theoretische U-Wert
Vorschriften | Keller | Erd-eschoss | I. Ober- geschoss | II. Ober- geschoss | III. Ober-geschoss | IV. Ober- gschoss | Dach-geschoss |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Wien 1877 | - | 790 | 790 | 632 | 632 | 470 | - |
Wien 1920 | 770 | 640 | 510 | 510 | 380 | 380 | - |
Berlin 1897/1913 | 770 | 640 | 510 | 510 | 380 | 380 | - |
Dresden 1906 | 770 | 640 | 510 | 510 | 380 | 380 | 250 |
Sachsen 1932 | 640 | 510 | 510 | 510 | 380 | 380 | - |
DIN 4106 1937 | 640 | 510 | 510 | 380 | 380 | 380 | 250 |
DIN 4106 1953 [W/m2K] | 490 | 490 | 365 | 365 | 365 | 365 | 240 |
u-Wert Wien 1877 | - | 0,87 | 0,87 | 1,0 | 1,0 | 1,27 | - |
u-Wert DIN 4106 1953 [W/m2K] | - | 1,23 | 1,5 | 1,5 | 1,5 | 1,5 | - |
1)Der Energieausweis wird nur für ganze Gebäude ausgestellt. Es gibt zwei Varianten, die Modernisierungsempfehlungen enthalten. Beim bedarfsorientierten Ausweis wird der rechnerische Energiebedarf anhand des Gebäudezustands ermittelt. Der verbrauchsorientierte Ausweis hält den tatsächlichen Energieverbrauch fest.
Grundsätzlich können Hausbesitzer zwischen beiden Ausweisarten wählen. Einzige Ausnahme: Für Wohngebäude mit bis zu vier Wohneinheiten, die vor 1977 errichtet und zwischenzeitlich nicht modernisiert wurden, wird der bedarfsorientierte Ausweis Pflicht.
In diesem Zusammenhang soll aber auch darauf verwiesen werden, dass in der Zeit, wo vordergründig Wohnraum geschaffen werden musste, wie nach dem Krieg im letzten Jahrhundert, beim Bauen wirtschaftliche Gesichtspunkte im Vordergrund standen. Erkenntnisse aus der Bautradition wurden so vernachlässigt. Dass diese Gebäude eine energetische Nachbesserung bedürfen, soll hier nicht negiert werden.
Peter Rauch 20.8.2008
Quelle:
[1] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS); Bericht über die Weiterentwicklung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms, Für mehr Wachstum und Beschäftigung, 5.1.2006
[2] Bossert, Paul; Der Bundesdeutsche Sanierungsschwindel Sanierungsschwindel
[3] Angaben von VDEW, VDI-Nachr. 5.10.07
[4] Alt, Helmut; Leserbrief zu FTD vom 30.1.2007, "Wir Kohlenkinder". Financial Times Deutschland FTD Hamburg
[5] Bumann, Matthias G.; Die Berechnungsverfahren der Normen erlauben keine realistische Einschätzung der Feuchte- und Wärmebilanz von Bauteilen www.richtigbauen.de
[6] Klimapaket bringt Tempo in die Weiterentwicklung der EnEV 19.10.2007,
https://www.baudienst.de/cgi-bin/baudienst/frame/frameReload_top?PN=1&BDSUB=https://relaunch.baudienst.de/aktuelles/news/bd_sub_news.html&BDCON=https://www.baudienst.de/cgi-bin/baudienst/aktuelles/news/news_detail?AID=33323&Gate_ID=1&quelle=Baudienst_42&uid=SR45307 Quelle: Gebäude-Energieberater, Oktober 2007, Gentner Verlag, Stuttgart
[7] Ahnert, Rudolf; Krause, K.-Heinz; Typische Baukonstruktionen von 1860 bis 1960, 1. Aufl., VEB Verlag für Bauwesen, Berlin 1985, S. 18
[8] Sebastian Knauer; WÄRMEDÄMMUNG Windige Geschäfte mit dem Klimaschutz 27. Oktober 2006 in www.spiegel.de
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