Für das rasche Ausgleichen von Feuchtigkeitsschwankungen, zum Beispiel in einer Wohnung, sorgt die Sorptionsfähigkeit von Oberflächenmaterialien der Raumbegrenzungsflächen und der Einrichtungsgegenstände. Darunter versteht man die physikalischen und chemischen Materialeigenschaften, Wasserdampf oder andere dampfförmige Stoffe (Geruchsstoffe, Dämpfe von Löse- und Desinfektionsmitteln, Kunststoffmonomere) durch "Adsorption" an die Wände der Zellen, Poren und Kapillaren zu binden und beim Abnehmen der relativen Luftfeuchte (Sättigungsgrad der Luft mit Dämpfen aller Art) in der Umgebung durch "Desorption" wieder freizugeben.
Bei der Adsorption werden die Wassermoleküle ein- oder mehrschichtig angelagert. Handelt es sich bei den Wandbaustoffen um kapillar-poröse Stoffe, so erfolgt die Feuchtigkeitsregulierung auch an der inneren Oberfläche.
Man unterscheidet zwischen Stoffen, die eine hohe Ausgleichsfeuchte haben, wie zum Beispiele Holz und Naturfasern. Metalle z. B. eine Fassade aus Aluminium, Fensterglas, Schaumkunststoffe (Polystyrol) und andere anorganische Stoffe sind so gut wie nicht sorptionsfähig. Die Grenze wird bei einer Sorptionsfeuchte von 0,5 Mass-% bei einer relativen Luftfeuchte von 80% gesetzt. Für eine gute Feuchtigkeitsregulierung der Raumluft sind Wandflächen daher grundsätzlich nicht mit Metalltapeten oder Kunststoffplatten zu beschichten. Die Bäder sollten nur im Spritzbereich gefliest werden, damit eine möglichst große sorptionsoffene Fläche verbleibt. Bei raumhohen Fliesen im Bad bildet sich viel schneller ein Feuchtefilm auf den Fliesen und dem Spiegel.
Die adsorbierten Wasserdampfmoleküle bewirken bei natürlich-organischen Materialien wie Holzbaustoff, Wolle, Textilien oder Papier sichtbare Formänderungen, indem sie die unter ihrem eigenen Gewicht in sich zusammengesunkenen Zellwände glätten und versteifen. Die Materialien beginnen zu quellen, und zwar um so stärker, je mehr Wasserdampfmoleküle an die Zellwand adsorbiert werden, bis bei 100% relativer Luftfeuchte der Umgebung die Grenze erreicht ist. Auch bei weiterer Feuchtigkeitszufuhr - zum Beispiel durch Kapillartransport quillt das Material nicht mehr weiter beziehungsweise nur noch geringfügig auf. Bei der Desorption beginnen die Zellwände des Materials wieder zu schrumpfen - das Material "schwindet".
Da Schwinden und Quellen von der Menge der adsorbierten Wasserdampfmoleküle und die wiederum vom Grad der relativen Luftfeuchte abhängen, hat man schon lange solche Materialien in Geräten zur Luftfeuchtigkeitskontrolle eingesetzt. Man nannte sie deshalb auch "hygroskopisch", das heißt "feuchtigkeitsüberwachend". Bei Bau- und Einrichtungsmaterialien wendet man das Wort aber heute allgemein auf Stoffe mit ausgeprägter Sorptionsfähigkeit an; man spricht zum Beispiel von der "starken Hygroskopizität von unbehandeltem Holz".
Sorptionsfähig sind fast alle Materialien; das heißt, bei fast allen steigt oder sinkt die Materialfeuchte in Abhängigkeit von der relativen Luftfeuchte der Umgebung, bis zwischen beiden das hygroskopische Gleichgewicht hergestellt ist. Bei Stoffen mit großer Hygroskopizität geht das nur sehr viel schneller, und es werden große Wasserdampfmengen aufgenommen und auch wieder abgegeben. Die Baustoffe Holz und auch Lehm zeigen hier gute Eigenschaften.
Bei trockener Luft weist Holz ein Feuchtigkeitsgehalt von 8 bis 12 M% auf. Es kann jedoch bis zu mehr als 30 % seines Trockengewichts an Wasser aufnehmen (das hygroskopische Gleichgewicht liegt bei 100 % relativer Luftfeuchte), ehe es fühlbar feucht wird. Bei den meisten mineralischen Baustoffen liegt die höchstmögliche hygroskopische Gleichgewichtsfeuchte bei 2 bis 3, maximal 5%, so hat zum Beispiel Kork 10%, Kalksandstein 5,0% und Ziegel 1,5%.
Sorptionsfähige Materialien senkten nicht die allgemeine Schadstoffbelastung der Raumluft durch Adsorption und "Neutralisierung" der Schadstoffe. (Hierfür gibt es gesonderte Beschichtungssysteme, die durch physikalische oder chemische Prozesse die Schadstoffe binden.)
In einem mit unversiegelten Holzflächen getäfelten Raum mit Polstermöbeln, schweren Gardinen und Wollteppichen (alles aus feinsten und reinsten Naturprodukten) ist zum Beispiel die Geruchsbelästigung durch Tabakrauch weniger groß als in einem gleich großen Raum mit Glas- und Stahlmöbeln, gekacheltem Boden, gefliesten Wänden und Rohbetondecke. Die sorptionsfähigen Materialien binden eine Menge der Geruchs- und Schadstoffe aus dem Tabakrauch - und geben diese schön langsam, noch Wochen später wieder an die Raumluft ab. Ein bau- und wohnbiologisch sehr unerfreulicher Raum aus Beton, Stahl, Glas und Keramik ist dagegen bereits nach einmaligem kräftigen Lüften wieder nahezu frei von Luftschadstoffen (Lösungs-, Putz- und Reinigungsmittel, Kosmetika und anderes).
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