Hochwasserschutz ist ein eigenes ingenieurtechnisches Fachgebiet, welches sehr viel Erfahrung bedarf und verschiedene Wissensgebiete, Geologie, Meteorologie, forst- und landwirtschaftlichen Bereich sowie andere einschließt. Weiterhin ist es eine organisatorische und strategische Aufgabe der regionalen und überregionalen Verwaltung. Gerade bei den gezielten Maßnahmen in kritischen Situationen ist ein hohes fachliches und verantwortungsvolles Handeln erforderlich. Der Krisenstab einer Region ist für sich allein überfordert, da die Naturkatastrophen gesamtheitlich betrachtet werden müssen. Durch die hoheitliche Eigenverantwortung der Länder ist eine korrekte Koordinierung kaum möglich.
Viel der heutigen Flüsse und Bäche sind begradigt, umgeleitet oder für den Schiffsverkehr verändert worden. Flüsse und Bäche haben ihre natürlichen Überschwemmungsgebiete. Kommt es zu Hochwasser, dann suchen sich diese Flüsse ihr ursprüngliches Flussbett. Werden Bäche in gemauerte oder betonierte Läufe gepresst, so ist die Fließgeschwindigkeit wesentlich größer als bei dem natürlichen Schlängellauf mit den natürlichen Überflutungsgebieten. Damals, wo ich noch an der Technischen Hochschule arbeiten durfte, erklärte mir ein Kollege (Bergbau/Energiewirtschaft), dass man nicht so einfach einen Flusslauf ändern kann. Neben dem oberirdischen Fluss gibt es auch einen unterirdischen Fluss. Wird ein Fluss umgeleitet, so kann er irgendwo in der Erde das Wasser verschwinden und an einer anderen Stelle wieder auftauchen. Gerade im Raum um Bitterfeld sucht sich bei Hochwasser die Mulde wieder ihr altes Flussbett.
Wasser ist die wichtigste Grundlage für die Besiedlung. Historisch hat man so in der Nähe von Bächen und Flüssen gesiedelt. Darunter waren auch die natürlichen Überschwemmungsgebiete. Heute ist die Bebauung direkt in der Nähe der Flüsse nicht erforderlich. Trotzdem wird in diesen Auen und Überschwemmungsgebieten gebaut. Durch die bereits oben genannten Veränderungen der Flussläufe sind diese Gebiete mehr gefährdet als früher. Rückhaltebecken und Talsperren können nicht alles ausgleichen. Allerdings wurde Leipzig jetzt das zweite Mal innerhalb der letzten 11 Jahre vor einer Überschwemmung gerettet, in dem ein Teil des Hochwassers jetzt in den Zwenkauer See geleitet wurde. Bereits nach 11 Jahren nach der Jahrhundertflut stiegen die Flusspegel 2013 wieder an und überschwemmen Landflächen und Ortschaften. Es gab schon immer Hochwasser und Überschwemmungen. Erst in den Chroniken der letzten Jahrhunderte lässt ein Vergleich zu.
Leipzig wurde jedes Jahr überschwemmt. Daher wurde vor über 100 Jahren ein komplizierter Hochwasserschutz angelegt. Seit dem ist die Stadt nur noch selten betroffen. Das Hochwasser 2013 der Elster, Pleiße und Parte in Leipzig zählt nicht zu den Jahrhundertfluten, wie es aller 150 Jahre vorkommt. 1924 fiel in Leipzig eine tägliche Niederschlagsmenge von 116 Millimeter pro Quadratmeter (Messungen des (königlich-)sächsischen Wetterdienstes). In diesem Jahr lagen die Tagesmengen in Leipzig auch nicht im Erzgebirge und Vogtland im extremen Bereich. Die Niederschlagsmengen des Hochwassers vom 15. und 16. August 1924 stellten die der aktuellen Flut deutlich in den Schatten. Ich wohne in der Nähe vom Auensee. 1954 war das Gebiet vollständig überschwemmt und die Eisenbahnbrücke am See über die Luppe wurde mit mehreren Dampflokomotiven belastet, damit diese nicht weggespült wird. Der Hauptbahnhof stand unter Wasser.
Die Niederschlagsmengen in Leipzig sowie in Erzgebirge und Vogtland, die das Hochwasser vom 7. bis 12. Juni 1954 auslösten, waren deutlich höher als in diesem Jahr.
Eigentlich muss ich den Stadtvätern von Leipzig danken, dass sie in den letzten 11 Jahren das Hochwasserschutzsystem weiter verbessert haben. Der nahe Damm an der Luppe wurde vollständig erneuert und ca. 75 cm erhöht. Wo wir am 3.6.2013 am Damm waren, war der Wasserspiegel etwa 1 m und ein paar Zentimeter unterhalb der Dammkrone. In der Nacht sollte das Wasser über den Damm laufen. Das Wasser ist nicht so weit angestiegen. Die zusätzliche Flutung des Zwenkauer Sees hat die Stadt vor einer Katastrophe gerettet. Unser historisches Haus steht etwa 100 m entfernt von der Elster. Werden die Lehmwände unseres Hauses nass, dann wird es äußerst kritisch. Selbst Bekannte aus dem entfernten Lviv (Ukraine) fragen uns nach, ob wir vom Hochwasser geschädigt wurden.
Weshalb die Leipziger Flüsse im Juni 2013 wesentlich mehr Wasser führten als 1954, wird sicherlich nur die Landestalsperrenverwaltung beantworten können. Es steht die Diskussion, ob wir künftig weiter mit solchen Wetterereignissen rechnen müssen. Es ist schon möglich. Muss aber nicht sein. Das Wetter lässt sich auf lange Sicht nicht voraussagen. Auch wenn es die Klimaforscher in Potsdam mit ihren Rechenprogrammen die schlimmsten Klimaprognosen ausrechnen. Ich persönlich halte das gegenwärtige Wetter als ganz normal. LTV-Bereichsleiter Axel Bobbe räumt ein, dass noch deutlich höhere Niederschlagsmengen fallen könnten als in diesem Jahr. "Die von Meteorologen ermittelte maximal mögliche Regenintensität ist in diesem Jahr nicht annähernd eingetreten", sagt er. "Wir müssen noch einiges für den Hochwasserschutz tun." [1] Dieser Aussage schließe ich mich an. Oder gibt es Wetteraufzeichnungen, die 1000 Jahren oder weiter zurück reichen? Es gab in dieser Zeit wärmere und kältere Perioden. Die Industrialisierung hatte zu dieser Zeit noch keinen Einfluss. Viel wichtiger sind die natürlichen Überschwemmungsgebiete zu erhalten und dazu gehören aber auch die natürlichen Wälder, die das Wasser zurückhalten. Ohne die Talsperren würden die Wasserfluten noch viel mehr Schaden anrichten. Dieses Hochwasser zeigt, dass die Planung der möglichen Wassermenge auf der Basis der "Jahrhundertflut 2002" nicht ausreicht.
Quelle: [1] Noack: "Leipzigs Jahrhunderthochwasser war im August 1924", Leipziger Volkszeitung, 19. Juni 2013
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