Die verbissensten Rechtsstreitigkeiten des Arbeitsrechts liefern sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer regelmaessig dann, wenn es um das Arbeitszeugnis geht. Der Arbeitgeber muss dem ehemaligen Arbeitnehmer ein wohlwollendes Arbeitszeugnis ausstellen, das diesen nicht in seinem Fortkommen beeintraechtigt. Andererseits muss das Zeugnis auch der Wahrheit entsprechen. Dieser Widerspruch ist nicht immer leicht aufzuloesen.
Der Arbeitnehmer dagegen sieht zu Recht in dem Arbeitszeugnis einen wichtigen Baustein fuer sein zukuenftiges berufliches Fortkommen. Durch die schwierige Lage auf dem Arbeitsmarkt hat die Bedeutung des Zeugnisses noch zugenommen. Das Interesse des Arbeitnehmers an einem Arbeitszeugnis, das ihm wirklich bei der Stellensuche weiterhilft, uebersteigt daher deutlich den Wert, mit dem die Arbeitsgerichte Streitigkeiten dieser Art bewerten, naemlich ein Monatsgehalt.
Wegen dieser besonderen Situation hat sich eine besondere Sprache entwickelt, die sogenannte Zeugnissprache. Bestimmte Worte sind fuer den Eingeweihten eine deutliche Warnung. So laesst "Geselligkeit" auf Trunksucht und (bei Maennern) ein "gutes Verhaeltnis zu maennlichen Kollegen" auf Homosexualitaet schliessen. Hat sich der Arbeitnehmer "bemueht" die ihm uebertragenen Aufgaben zu erfuellen, heisst dies nichts weiter, als dass er unfaehig war. Gar nicht selten sind daher die Faelle, in denen sich der Arbeitnehmer freudestrahlend mit einem Zeugnis bewirbt, das sich bei naeherem Hinsehen als eine ueble Herabwuerdigung seiner Person entpuppt.
Ein derart schaedliches Zeugnis muss nicht einmal boese Absicht sein. Haeufig und insbesondere in kleinen Betrieben ist dem Arbeitgeber selbst die Zeugnissprache nicht gelaeufig. Kenner der Materie wissen dies und lesen das Zeugnis eines Kleinunternehmers anders als das der Personalabteilung eines Grossunternehmens. Trotzdem kann nur dringend empfohlen werden, zumindest in Zweifelsfragen das Zeugnis auf kritische Formulierungen durchsehen zu lassen.
Wenig beachtet wurden in diesem Zusammenhang auch die sogenannten Schlussformeln, mit denen sich das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung vom Februar dieses Jahres (BAG, Urteil vom 20. 02. 2001 - 9 AZR 44/00) befasste. In dem dortigen Fall hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Beifuegung einer Schlussformel hat. Das Fehlen der Schlussformel laesst naemlich nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts keine Rueckschluesse zu.
Vorsicht ist aber geboten, wenn das Zeugnis bzw. das Kuendigungsschreiben eine solche Schlussformel enthalten. Denn auch hier gibt es Geheimklauseln. Wuenscht man beispielsweise dem Arbeitnehmer "auf seinem weiteren Berufs und Lebensweg alles Gute und weiterhin recht viel Erfolg," handelt es sich um eine sehr gute Beurteilung. Wuenscht man ihm jedoch "fuer die Zukunft alles nur erdenkliche Gute," entspricht dies dem Praedikat ungenuegend. Selbstredend gibt es ausserdem noch vier Zwischenstufen.
Zeugnisrechtsstreite sind langwierig, unbefriedigend und daher nach Moeglichkeit zu vermeiden. Bewirbt man sich nichts ahnend mit einem schlechten Zeugnis und erhaelt deshalb die begehrte Stelle nicht, ist der Schaden erheblich, auch wenn man ihn lediglich in Geld beziffert. Es empfiehlt sich daher, bereits bei Beendigung des Arbeitsverhaeltnisses das Zeugnis gemeinsam abzufassen und gegebenenfalls die fachkundige Hilfe eines Rechtsanwalts in Anspruch zunehmen. (cs)
<© 2001 catalog-web.de | Baulexikon | Bauideen | Sanierungskosten | Impressum | 3/2002